Texte

Warum Verlage notwendig sind

(Vorwort zum Band „30 Jahre Ch. Links Verlag. Eine Chronik“, Berlin 2019)

Bei all den Firmengeschichten und Memoirenbänden kann man leicht den Eindruck gewinnen, dass sich Verlage mitunter allzu wichtig nehmen. Denn eigentlich sind sie ja ihrer Grundfunktion nach nichts anderes als Mittler – zwischen Autor und Leser. Überdies scheinen sie im Digitalzeitalter noch an Bedeutung zu verlieren, denn der Autor kann seinen Text jederzeit selbst ins Internet stellen und in direkten Kontakt mit seinen Lesern treten. Und dennoch spielen Verlage im kulturellen Leben nach wie vor eine große Rolle, wird über ihr Auf und Ab in den Medien ausführlich berichtet, befasst sich die Politik mit den Rahmenbedingungen ihres Handelns, engagieren sich Autorenverbände und sogar das Europaparlament für die finanzielle Beteiligung von Verlagen an den Umverteilungsgeldern zentraler Verwertungsgesellschaften. Warum dies alles? Was leisten die Verlage, dass sich so viel Aufmerksamkeit lohnt?

Um dies zu verstehen lohnt sich ein Blick in den Alltag derartiger Gebilde, denen Banken zumeist mit Skepsis begegnen, schließlich sind sie weder Produktionsbetriebe – das sind die Setzereien und Druckereien –, noch sind es Dienstleistungsbetriebe, denen andere einen Auftrag geben, verbunden mit der Zusage, die erbrachte Leistung dann auch zu bezahlen. Es sind somit Hochrisiko-Unternehmungen, die aus eigenem Antrieb handeln und nach eigener Ansicht meinen, dass bestimmte Themen für die Gesellschaft wichtig sind und differenziert behandelt gehören und die sich für Autoren und Texte einsetzen, die mit ihrer künstlerischen Sicht das Leben reicher machen und neue Perspektiven eröffnen. Dafür verwenden sie ihr Geld, das sie vorlegen – daher stammt nämlich sprachgeschichtlich das verlegen –, um so Bücher entstehen zu lassen, die von möglichst hoher Qualität sind und möglichst viele Leser erreichen.

Für Autoren haben Verlage bekanntlich eine Verstärkerfunktion. Sie helfen ihnen, Texte zu verbessern, sie ggf. juristisch abzusichern, mit Karten, Fotos, Zeittafeln und Registern anzureichern, sie gut zu gestalten und ordentlich herstellen zulassen, sie über viele Buchhandlungen als „geistige Tankstellen“ (Günter Grass) zu verbreiten und ihnen viel Aufmerksamkeit zu verschaffen, sei es in den Medien oder bei Lesungen. Hinzu kommt noch der Einsatz für Veröffentlichungen im Ausland durch Lizenzverhandlungen auf internationalen Messen und schließlich die Absicherung des Urheberrechts der Autoren durch rechtliches Engagement im Bereich der Politik.

Von all dem kann man etwas mehr verstehen, wenn man sich das vielgestaltige Geschehen eines Verlages näher ansieht. Wir haben in den 30 Jahren unserer Existenz immer versucht, transparent über alle Vorgänge zu berichten, waren bei den Veranstaltungen „Verlage besuchen“ stets dabei, informieren regelmäßig über unsere Webseite und haben bisher drei Bücher zur eigenen Geschichte vorgelegt, in denen auch alle wirtschaftlichen Ergebnisse offengelegt wurden.

Im ersten Band zum zehnjährigen Bestehen („Über unsere Bücher läßt sich streiten“) berichteten 1999 Autoren, Buchhändler, Buchhandelsvertreter, Mitarbeiter und Kollegen aus anderen Verlagen über die Zusammenarbeit mit uns. Im zweiten Band zum 20. Jubiläum im Jahr 2009 („Mit Links überleben“) kamen fünf Autoren mit ihren Erfahrungen zu Wort und stellten zehn Kollegen ihre jeweiligen Arbeitsbereiche vor. Außerdem äußerten sich freie Mitarbeiter, Praktikanten und Leser. Zum 25.Geburtstag schließlich erschien 2014 der Band „Einmischung erwünscht“, in dem die einzelnen Programmbereiche des Verlages mit Ausschnitten aus Schlüsselwerken und Hintergrundgeschichten vorgestellt wurden. Alle drei Bände enthielten im Anhang eine Bibliografie der im Verlag erschienenen Bücher und eine Chronik der Ereignisse des jeweiligen Berichtszeitraumes.

Diesem Ansatz folgt nun auch unser vierter Band, der die Chroniken der bisherigen drei Bände in aktualisierter Form zusammenführt und um die vergangenen fünf Jahre ergänzt, wie auch die Bibliografie bis Ende 2019 fortgeschrieben wird. Neu ist dabei, dass zu jedem der 30 Jahre ergänzende Texte aufgenommen wurden, die zentrale Themen des jeweiligen Jahres näher beleuchten, sei es durch eigene Artikel oder durch Interviews. Dabei geht es nicht nur um Ereignisse unserer Verlagsgeschichte, sondern auch um grundsätzliche Fragen der Branchenentwicklung. Letztlich bewegen wir uns ja in einem medienpolitischen Umfeld, das unser Handeln in starkem Maße mitbestimmt, wie etwa die Sicherung der Buchpreisbindung oder die Beteiligung an den Ausschüttungen der Bibliotheken und der Kopiergeräteindustrie. Daher waren wir stets auch branchenpolitisch stark engagiert, sei es im Berufsverband, also dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels, im Aufsichtsrat der Frankfurter Buchmesse oder im Mittelstandsbeirat des Bundeswirtschaftsministeriums.

Aus dieser Zusammenschau der konkreten Vorgänge im Verlag, in der Branche und in der rahmensetzenden politischen Landschaft wird hoffentlich verständlich, wie ein Verlag funktioniert, womit er sich auseinanderzusetzen hat und was er im Idealfall für seine Autoren und Leser erreichen kann.